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Pragmatisch erschließen

Der Leiter des Referats Archivische Erschließung Giora Zwilling (vorne links) mit seinem Team

Der ITS bewahrt eine der weltweit größten Sammlungen zur Geschichte des Holocaust, den KZs, zu NS-Zwangsarbeit und Displaced Persons. Dieser einzigartige Bestand ist – anders als die meisten anderen Archive – sehr gemischt und folgt keiner einheitlichen Struktur. Die Unterlagen sind beispielsweise nicht nach ihrer Herkunft zusammengefasst, wie sonst in Archiven üblich. Originalunterlagen, Korrespondenzakten und Kopien anderer Sammlungen erschloss der ITS hauptsächlich in Bezug auf Personen- und Ortsnamen, um die tägliche Suche nach Namen zu vereinfachen. Eine Erschließung im Sinne historischer Forschung gehörte lange Zeit nicht zum ITS-Mandat.

Die Öffnung des Archivs 2007 war ein Wendepunkt. Der ITS begann, seinen Bestand so zu erschließen, dass auch externe Nutzer*innen damit besser arbeiten können. Gab es bis dahin keine geschulten Archivare, so erstellten die Mitarbeiter*innen des Referats nun unter Leitung eines Archivars zum Beispiel Findbücher. Sie beschrieben den Bestand systematisch, allerdings nur einen sehr kleinen Teil davon. Doch es handelt sich ja um 30 Millionen Dokumente. „Jetzt gehen wir einen Mittelweg“, sagt Giora Zwilling, Leiter des Referats Archivische Erschließung. „Wir konzentrieren uns darauf, in einer zentralen Datenbank das Archiv zu beschreiben. Und zwar so, wie es nun einmal ist.“ Zwilling ist einer von vier Historiker*innen, die heute zusammen mit einem Archivar an der Erschließung des ITS-Archivs arbeiten. Zuvor war er Leiter der Abteilung zur Vorbereitung der Digitalisierung in der Gedenkstätte Yad Vashem, 2017 bereitete er schwerpunktmäßig die Onlinestellung des komplexen Bestands 1.1 beim ITS vor. „Bestmöglich und nutzerorientiert, aber eben pragmatisch, würde ich unseren Ansatz nennen“, beschreibt er die Vorgehensweise bei der Erschließung. Dazu gehört auch, zum Beispiel für diese Online-Stellung Prioritäten zu setzen. Selbst ein auf fünf Mitarbeiter*innen angewachsenes Referat kann schließlich solche 40 Teilbestände mit 3.000 kleineren Archiveinheiten nicht auf jede Ebene hinunter bis ins Detail beschreiben, wenn die Veröffentlichung nicht Jahrzehnte dauern soll. „Aber die Beschreibung auf oberer Ebene zum Beispiel ist sehr wichtig“, erklärt Zwilling.

Für ihn ist das ITS-Archiv etwas Besonderes, das man eben auch besonders behandeln muss: „Wir sind ein historisches Archiv und sehr weit weg vom klassischen Verwaltungsarchiv“, sagt er. Damit gilt es für ihn zu arbeiten. Dass der ältere Teil der Online-Sammlung eine andere Struktur aufweist als der bald online publizierte Bestand 1.1 ist für den ITS heute kein Argument gegen eine rasche Veröffentlichung. „Eine gemeinsame Suchmaske für den alten und neuen Teil könnte den Nutzer*innen da schon helfen“, sagt Zwilling. Wichtig sei, dass möglichst viele Leute Zugang hätten und das Archiv gut nach ihren Bedürfnissen verwenden können. „Es ist unsere moralische Verpflichtung, die Dokumente sinnvoll zugänglich zu machen und Transparenz zu schaffen“, stellt er klar. „Durch die Online-Stellung erreichen wir sehr, sehr viele Menschen, das ist unsere Zukunft – die Zukunft aller Archive.“